Überraschung fast auf ganzer Linie- die Gretsch G5655TG, zumindest meiner Meinung nach.
Ich hab sie ohne große Erwartungen blind bestellt nachdem ich über ein Bildchen ihrer, quasi Japanschwester, der Broadcaster Jr. gestolpert war. Diese fand ich optisch richtig schick, ich kenne aber die normalen Gretsch U-Hälse (G5655= thin U) mit denen ich nicht so gut klar komme. Außerdem wollte ich nicht soviel ausgeben erstmal.
Ich hab ein gewisses Arsenal an Gitarren, v.a. aus nordamerikanischer Produktion- dies nur, damit in etwa klar ist, auf was sich mein Vergleich auch bezieht.
Die Gretsch ist zunächst insgesamt tadellos verarbeitet. Bünde, Hals, Bohrungen, Binding, alles akkurat. Besonders auffällig ist die ausnahmslos perfekt ausgeführte und vor allem sehr dünne Lackierung. Da kenn ich ganz andere Polyurethanbeschichtungen und hätte dies auch so nicht erwartet. Das Binding ist nicht ganz so abgesetzt wie bei anderen Gitarren sondern gleichmäßig, ohne Absatz mit einlackiert. Ist für mich aber kein Makel. Ich bin ein Fan hoher Bünde, die Medium Jumbos sind zum Glück für mich ausreichend hoch (ca.1,25mm). Die Bundierung selbst ist dabei tadellos, für mich hätte man die Bünde noch mehr Richtung Griffbrettrand belassen können aber dafür kann man sich nicht über scharfe Bundenden beklagen.
Das Halsprofil ist super, hinsichtlich Dicke und Form fast wie meine ESP- insofern kann ich der Angabe "Thin-U" durchaus zustimmen.
Die Hardware finde ich insgesamt gut; Lizenz Bigsby, Brücke verrichten klaglos ihren Dienst, größere Verstimmungsprobleme habe ich nicht. Auch der Sattel ist gut bearbeitet. Einzige Schwachstelle sind meiner Meinung nach tatsächlich die Tuner. Diese sind etwas gefühllos und hakelig. Kann man aber prima ersetzen bspw. mit Kluson Roundbacks. Die Bohrung ist übrigens 10mm.
Die Gretsch ist relativ leicht mit einer ganz kleinen Tendenz zur Kopflastigkeit- diese ist aber bauartbedingt und gering und lässt sich daher tatsächlich mit einem entsprechenden Gurt auffangen -funktioniert ja nicht immer.
Die Elektrik ist gretschtypisch, muss man eben mögen. Lauf und Weg der Potis finde ich in Ordnung; der Treble Bleed funktioniert sehr gut und lässt äußerst gebrauchsfähige Töne auch bei zurückgedrehtem Mastervolume zu. Soundbeschreibung und Vorstellung ist ja immer sehr subjektiv. Die Broad-Trons klingen für mich auf alle Fälle transparent mit der typischen Gretsch-Rotzigkeit. Der Hals PU ist dabei vom Charakter aber doch mehr PAF als TV-Jones/Filtertron typisch und tönt recht warm und voluminös und in Zwischenstellung nicht ganz so twängig. Lässt sich durch Einstellen oder einige Kniffe oder Eingriff in die Elektrik aber super modifizieren. Der Steg PU ist aus meiner Sicht über alle Zweifel erhaben. Die PUs selbst würde ich daher niemals tauschen. Das Sustainverhalten ist super für diese Bauart.
Insgesamt eine richtig tolle Gitarre, die nicht nur schick aussieht, sondern sich auch wunderbar bespielen lässt und zudem noch gut klingt. Einziger, kleiner Kritikpunkt sind wie erwähnt die Tuner.
Wenn auf der Kopfplattenrückseite nicht „Made in China“ stände könnte man für die Gretsch sicher deutlich mehr aufrufen und würde auch genügend Käufer finden. Dann müsste man nur ggf. noch einen Koffer beilegen.