Entweder man liebt es, weil es einfach saugut klingt, weil der kleine italienische Drummer einen Drive hat wie kein anderer, oder weil man so ziemlich alles recht einfach seinem persönlichen Geschmack anpassen kann, oder man hasst es, weil es einfach nicht perfekt ist. Weil es sich - wenn man zu viel auf einmal von ihm verlangt - manchmal aufhängt, weil die Bedienung und Programmierung so ganz anders ist als man es von Yamaha oder Korg gewohnt ist, und weil es keine Community (zumindest keine Deutschsprachige) gibt, wo man sich mal schnell mit Leidensgenossen austauschen kann.
Ketron spielen bedeutet also, sich durchbeißen! Aber dann mit einem frischen, professionellen und nach Band klingendem Ergebnis belohnt zu werden!
Das bezieht sich nur auf den Einsatz als Live-Keyboard. Ich verwende keine Midifiles, keine MP3, keine DJ-Funktion und nicht die eingebaute Gitarrenabteilung.
Die Tastatur ist für mich als Fingerkraftsportverweigerer optimal. Man kann die (übrigens hervorragenden) Pianos sehr ausdrucksstark spielen, aber auch noch schnell und leicht nach Sythi- und Orgelart. Die Knöpfe sind gewöhnungsbedürftig, sehr klein und ein harter Druckpunkt. Wer seine Füße nicht zur Steuerung der Begleitung nehmen möchte, kann aber auch über den Touchscreen seine Fills und Varianten steuern. Allerdings ist auch hier Arbeit angesagt, weil die Buttons die man (bzw. ich) öfter braucht, auf verschiedenen Seiten liegen. Dem Mehrfach-Fußschalter (6 oder 13 fach) kann man aber wirklich alles beibringen! Das ist für mich persönlich die Rettung!
Man braucht selbst für den Gesang nichts mehr mitzuschleppen, die Effekte sind ganz ok. Beim Vocalizer ist noch Luft nach oben, aber das ist jammern auf hohem Niveau.
Die Klänge sind zu 95% erstklassig! Was da an Naturinstrumenten zu hören ist, das ist einmalig! Leichte Schwächen in der Pad und Synth Abteilung, aber man kann ja kombinieren, schichten und schieben. Habe bisher (fast) alles was ich vorher mit einer workstation gemacht habe, auch hier hinbekommen. Sogar einfacher...
Insgesamt ist das ganze Bedienkonzept so aufgebaut, dass man eher wenige, aber dafür praxistaugliche Eingriffsmöglichkeiten hat. Und das macht Spaß und bringt schnell gute (o.k. manchmal keine perfekten) Ergebnisse - erinnert mich irgendwie an das Herstellungsland.. ;-)
Fazit: Für mich das musikalischste Erlebnis was ich je hatte! Habe vorher auch Yamaha und Korg gespielt. Es ist anders - besorge Dir schon mal Blutdrucktabletten bis alles so ist, wie Du es haben möchtest- aber es lohnt sich!
Zum Schluss noch ein Zitat eines Duopartners, der sonst in einer großen Band spielt: " Gegenüber Deinem kleinen Italiener ist unser Schlagzeuger eher der Drumcomputer" ;-)
Nachtrag zur Verarbeitung: ich habe einen Punkt abgezogen aus folgenden zwei Gründen. Die Schieberegler haben unterschiedliche Regelwege. Manche sind schön linear, aber z.B. gerade der wichtige Master- Fader gewinnt auf den letzten 5mm seines Regelwegs 50% der Lautstärke. Ist faktisch unbrauchbar, der Griff geht nun eher zum Mischpult. Der zweite Grund ist der Notenständer! Nicht dass es wichtig wäre, aber es ist einfach für dieses Preissegment eine Frechheit! Wenn man aus einer Büroklammer einen Notenständer biegt und ihn dann mit einem Stück Plastikfolie stabilisiert, hat man ein vergleichbar stabiles Modell...