Kurzfassung:
Geniales Teil! Für mich für den Preis derzeit der/die beste Synthesizer/Workstation am Markt.
Langfassung:
Nachdem mein K2500S "schon" nach 25 Jahren (!) Live- und Studioeinsätzen erste Ermüdungserscheinungen zeigte, beschloss ich, auf Nachfolgersuche zu gehen. Nachdem ich die K2500-Vollausbaustufe besaß (alle drei ROM-Optionen, KDFX und Festplattenerweiterung), waren meine Erwartungen an den Nachfolger entsprechend hoch. Ich testete mich bei Thomann in der Keyboardabteilung durch alle verfügbaren Kurzweils, Yamahas, Korgs, Rolands und Nords durch, mußte aber bei jedem Gerät sagen: das konnte mein alter Kurzweil deutlich besser (und das trotz des Alters!). Also ging ich ohne neues Keyboard und einigermaßen desillusioniert wieder nach Hause. Der einzige Lichtblick war die Ausage eines Thomann-Mitarbeiters, dass der K2700 angekündigt sei - mit 88 gewichteten Tasten.
Als beim ersten Gig nach Corona mein alter Kurzweil tatsächlich keine keine Sounds mehr von Festplatte laden wollte, musste schließlich dringend ein Ersatz her. Im April bestellt - leider erst im Juli dank Corona-gestörter Lieferketten geliefert (Thomann trifft da keine Schuld). Mittlerweile konnte ich das Teil schon bei zwei Gigs auf Praxistauglichkeit testen. Und - soviel kann ich sagen - ich habe den Kauf bislang nicht bereut.
Pluspunkte:
+ Tastatur: Sehr gute gewichtete Tastatur, die Umstellung von der nur leicht gewichteten K2500-Tastatur fiel mir leicht.
+ Bauform: Zwar quasi gleich schwer wie mein alter K2500, aber deutlich handlicher. Obwohl er 12 Tasten mehr besitzt als mein K2500, ist der K2700 nicht sonderlich viel breiter - das liegt daran, weil die Modulationsräder etwas nach oben gewandert sind. Allerdings ist durch die geringere Tiefe auch weniger Platz auf dem Gerät verfügbar (mein Handy mit den Liedtexten lässt sich nicht mehr so einfach oben drauf legen, ohne das Synthi-Display zu verdecken).
+ Bedienung: Man findet sich als K2500-User sofort zurecht, wenn auch manche Menüs jetzt anders angeordnet/zusammengefasst sind.
+ Sound: In den wichtigen Sound-Kategorien (Piano, E-Piano, Strings, Brass/Winds) sind eingebaute Samples zu finden, die ihresgleichen suchen. V.a. bei den E-Piano- und Bläser-Samples hat sich im Vergleich zum K2500 nochmal einiges verbessert. Die Sound-Engine ist im Prinzip weitgehend identisch mit der des K2500. Von der Klangerzeugung her konnte ich keinen Unterschied/Verschlechterung ausmachen.
+ Ich hatte im direkten Vergleich mit dem K2500 den Eindruck, dass der K2700 insbesondere bei Multis mit vielen Einzelsounds deutlich präziser, also mit weniger Latenz zwischen "Tastendruck" und "hörbarem Sound" arbeitet.
+ Neue Bedienelemente (1): Im Vergleich zum K2500 hat der K2700 einen Zugriegel mehr (insgesamt 9). Damit gehört der nervige Workaround "1' Zugriegel auf dem Modulationsrad" der Vergangenheit an. Da hat jemand mitgedacht! Top!
+ Neue Bedienelemente (2): Im Vergleich zum K2500 sind 9 Drehregler dazugekommen, die frei zugeordnet werden können. Sehr praktisch!
+ Neue Bedienelemente (3): 4x4 anschlagsdynamische Pads. Für alles mögliche brauchbar, auch als Lichtorgel :-)
+ Neue Bedienelemente (4): Tap- Taster und Drehregler für das Tempo - sehr praktisch, um den Arpeggiator, an das Songtempo anzupassen.
+ Das Alleinstellungsmerkmal: Der grosse Slider ist auch beim K2700 an Bord! I love it!
+ Das Display lässt sich auch bei Sonnenlicht gut ablesen.
+ Effekte: Die Qualität ist meiner ersten Einschätzung nach vergleichbar mit KDFX, allerdings deutlich bedienbar. Offenbar ist im K2700 auch deutlich mehr DSP-Power vorhanden, man kann wesentlich mehr Effekteinheiten verwenden.
+ Massig Flash-Speicher, die Samples sind sofort verfügbar und müssen nicht erst von Festplatte geladen werden.
+ Man kann alles in Nullkommanix per USB auf einen Memorystick sichern.
+ Laden von DX7 SysEx-Files (*.syx): Mein persönliches Highlight - nach dem Laden der Soundbank meines DX7IID kam ich mir vor wie an einem DX7 mit gewichteter Tastatur... Das hat Kurzweil echt gut hinbekommen! Lediglich bei ein paar monophonen Bass-Sounds war für mich ein Unterschied zum Original erkennbar. Ich musste ein bisschen probieren, bis der Import geklappt hat, aber nach dem SYX Export aus Cubase heraus hat es geklappt.
Negativpunkte (auch die gibt es, leider):
- Der Import von K2500 Setups (=Multis im K2700) ist in seiner aktuellen Form komplett unbrauchbar. Da heißt es dann (wie bei mir) alle Sounds und Multis neu erstellen, wenn mann einen K2500 besitzt. Sobald die alten Sounds auf Objects zugreifen, die im (ggf. optionalen) ROM lagen, hat der importierte Sound mit dem Original quasi nichts mehr gemeinsam. Man fragt sich da schon, wieso der Import von YAMAHA-DX7-Sounds besser funktioniert als der Import von Sounds aus der Kurzweil-Produktfamilie?
- Die Hinterleuchtung der Tasten (insbesondere der Modus-Tasten) ist zu schwach, um bei direktem Sonnenlicht erkennbar zu sein.
- Die meisten Preset-Sounds klingen ziemlich langweilig und entsprechen in keinster Weise dem, was das Gerät zu leisten imstande ist.
- Unpraktisch: Wenn man das Global-Menü öffnet, wechselt man ungewollt vom Multi- in den Program-Modus. Das lässt sich hoffentlich noch durch ein Update beheben.
Neutrale Anmerkungen:
* Die PC-Programme zum Editieren sind von Praxistauglichkeit weit entfernt. Für mich nicht weiter tragisch, ich komme gut mit den Menüs des K2700 klar.
* Die beiden Analog-Eingänge wirken zunächst so, als könnte man mit dem Gerät auch samplen. Das ist aber am Gerät selbst (zumindest mit der aktuellen Firmware) nicht so. Für mich ebenfalls nicht weiter tragisch, ich editiere die Samples sowieso lieber am PC-Bildschirm. Und das Importieren von Samples funktioniert, solange man die richtige Sample-Rate und Bitness verwendet.
* Bedienelemente: Die Qualität der Fader und Potis ist aus meiner Sicht OK. Bei den Tastern bin ich allerdings auf deren Langzeit-Halbarkeit gespannt, die machen einen etwas weniger wertigen Eindruck als die des K2500.
Fazit:
Mein alter K2500S hat damals noch mit Case an die 10000 DM gekostet. Für weniger als ein Drittel (allerdings in EUR) bekommt man mittlerweile dasselbe und noch viel mehr (siehe oben).
Der Rotstift wurde aus meiner Sicht bei den richtigen Features angesetzt. Weggefallen im Vergleich zum K2500S sind eher verschmerzbare Features, wie z.B. der "kleine" Ribbon unter den Modulationsrädern (den vermutlich eh niemand verwendet hat).