Ich habe mir 2 Yamaha Revstar Standard bestellt, nachdem die Gitarre im Netz ziemlich gehypt wird.
RSST02T Sunset Burst mit P90 Pickups
RSS20 Vintage White mit Humbuckern
Eigentlich ging es mir mehr um das P90-Modell, ich wollte die Humbucker aber im Vergleich testen.
Die Gitarren sind unglaublich gut verarbeitet und in diesem Preis-Segment sicher Benchmark. Für ähnliche Features und Qualität muss man häufig mehr bezahlen.
Yamaha's Pacifica im Bereich 400,- bis 800,- hat mich weniger überzeugt (Sound etwas billig bzw. seelenlos, billige Potis, tricky Truss-Rod-Cover).
Die Revstar-Gitarren sind einerseits absolut modern: Carbonverstärkter Hals, ergonomische Konturen an Halsübergang, Armauflage und Belly-Cut sowie interessante Pick-Up-Schaltungen und Focus-Switch. Auf der anderen Seite knüpfen sie an die traditionelle Formensprache der Yamaha SG an, haben Bindings an Hals und Korpus, der Korpus ist Jazzgitarren-mäßig ausladend dimensioniert, die Kopf-Konstruktion hat zwar eine dynamische Formgebung ist aber im Prinzip sehr klassisch. Der Hals ist auch eher traditionell und nicht unbedingt Shredder-Profil (kein Ibanez Wizard Neck). Trotzdem lässt sich die Gitarre bei Gewöhnung und entsprechender Einstellung sehr angenehm und schnell spielen.
Das Satin-Hals-Finish fühlt sich gut an und besser als ein glänzend lackierter Hals. Allerdings ist es nicht ganz das Gleiche wie ein unbehandelter oder geölter Naturholz-Hals (mein absoluter Favorit), eher ein angerauter dicker Lack der sich etwas Plastik-mäßig anfühlt.
Ab Werk ist die Saitenlage recht hoch eingestellt und auch der Hals hat für meinen Geschmack zu viel Durchhang. Mit wenigen Handgriffen an Truss-Rod und Brücke kann man dafür sorgen, dass die Saiten deutlich flacher am Hals liegen und trotzdem nicht schnarren. Ich würde fast sagen, man kann die Revstar in eine nahezu perfekte Einstellung bringen. Top in dieser Preislage - bei teureren Gitarren musste ich hier schon unfreiwillig Kompromisse eingehen. Die Oktavreinheit war ganz gut eingestellt, hier musste man nur wenig nachjustieren.
Die Stimm-Mechaniken sind nichts Besonderes, funktionieren aber gut. Mit wären Stahl-Dreher (modern und solide) statt Plastik (traditionell und empfindlich) lieber gewesen. Bedingt durch die Konstruktion der Kopfplatte kann es zu einem Hakeln der G-Saite im Sattel kommen (Les-Paul-Problem), ist bei dem verwendeten Kunststoff-Sattel aber nicht sehr ausgeprägt.
Manche kritisieren, dass die Gitarre keine Lockig-Tuner hat. Ich verstehe den Hype um Locking Tuner nicht ganz.
Hinsichtlich Verarbeitung habe ich bei der weißen RSS20 keinerlei Mängel entdecken können - außer vielleicht einer nicht 100% perfekten Stelle am Hals-Binding. Keine Fehler im Lack, keine Tropfnasen, kein trockenes Griffbrett, keine scharfkantigen Bundstab-Enden. Absolut edel. Liebe auf den ersten Blick.
Die RSST02T Sunset Burst erschien mir einen Tick weniger perfekt (schwarze Schlieren und einige unsaubere Stellen am weißen Hals-Binding und der Tone-Regler lässt sich sehr locker drehen).
Die Pick-Up-Einstellungen in Kombination mit dem Focus-Switch sind etwas gewöhnungsbedürftig, erschließen sich aber schnell und sind insgesamt sehr interessant.
Die Revstar passt in kein Schema und sie eignet sich nur bedingt, um die gängigen Klassiker zu kopieren. Ein bisschen Tele und SG lässt sich herausholen. Aber die Stärken der Revstar sind klar ihre eigenen Sounds. Dabei finde ich persönlich, dass sie vor allem eine geile Gitarre für Rhythmus / Begleitung / Arpeggio / Picking ist. Sie liefert auch coole Solo-Sounds für die üblichen Anwendungen, aber hier muss man schon experimentieren, damit es einzigartig und iconic klingt.
Die Revstar ist vielleicht nicht ganz so vielseitig wie eine Super-Strat. Oder man muss es anders sagen: Sie liefert nicht die typischen Sounds, die eine Super-Strat bringt (fetter Steg-Humbucker in Kombination mit Single Coil-Schaltungen), dafür aber um die 7 brauchbare und sehr unterschiedliche Sounds, die etwas anders gelagert sind. Die Sounds liegen mehr im typischen Humbucker-Spektrum, dafür sehr interessante Out-of-Phase-Klangoptionen. Wenn man sich darauf einlässt, macht die Gitarre Lust zum Experimentieren und sie inspiriert zu neuen Wegen. Das ist ja eigentlich der Grund, warum man verschiedene Gitarren spielt.
Bei der P90-Variante (RSST02T) überzeugen fast alle der 10 möglichen Einstellungen und es gibt interessante Einsatzmöglichkeiten für den "Focus Switch".
Bei der Humbucker-Variante der Revstar ist der Focus-Switch meiner Meinung nach weniger brauchbar als mit P90s. In vielen Fällen wird der Sound eher dumpf und wenig differenziert. Speziell im Clean-Bereich ist die Anwendung allenfalls bei den Out-of-Phase-Schaltungen interessant. Oder man möchte klassischen Jazz-Sound. Bei Crunch / Boost / Solo kann der Sound etwas voller und mittenreicher werden, wenn man über die Verzerrung genug Obertöne hat. Aber das ist Geschmacksache. Die Humbucker-Revstar hat nicht ganz den Obertonreichtum einer Les Paul, sie ist etwas flacher bzw. trockener. Ich hätte daher den Focus Switch lieber so ausgelegt, dass er mehr Obertöne bringt anstatt die Mitten zu betonen und die Höhen abzuschneiden. Oder statt Focus Switch lieber einen Coil Split-Schalter oder einen Power Tap wie bei der Ibanez AZ, der auch Coil-Split-Kombinationen beinhaltet - hier wäre den Yamaha-Ingenieuren sicher etwas eingefallen. Damit wäre die Humbucker-Revstar für mich noch vielseitiger und würde einen weiteren Sound-Bereich abdecken.
Nichts desto trotz habe ich die Humbucker-Revstar behalten, weil sie interessante Sounds bietet (gerade die Out-of-Phase-Schaltungen), super verarbeitet ist, gut aussieht, angenehm zu spielen ist (und endlich mal eine moderne Gitarre OHNE Vibrato-System ist).
Interessanterweise ist die Gitarre ab Werk mit Elixir-Saiten bestückt. Nicht unbedingt üblich bei Gitarren im 800,- EUR Bereich, auch wenn viele Hersteller inzwischen ab Werk Marken-Saiten aufziehen. Die Dinger klingen schon knackig (muss ich als alter Ernie Ball Fan bestätigen). Vielleicht ist das ein Deal zwischen Yamaha und Elixir, um die Saiten breiter in den Markt zu bringen und bisher unschlüssige Gitarristen zum Umsteigen zu animieren?