Der Ibanez BT1835-NDL soll der Nachfolger von meinem Ibanez MC924 werden, der nun schon 40 Jahre auf dem Buckel hat und den ich selbst seit ca. 35 Jahren "überwiegend" gespielt habe. Ich hab auch noch einige andere Bässe in meinem Fundus, aber live und vor allem in meiner Rock-Cover-Band bin ich immer wieder auf den "Musician" zurückgekommen.
Wegen der Flexibilität wollte ich nun quasi "spätberufen" generell auf ein 5-saitiges Modell umsteigen.
So ein "moderner" Bass muss sich bei mir also schon erst mal beweisen: Das ist dem BTB1835 auch ganz gut gelungen!
Wegen Corona, war es nicht möglich, dass ich den Bass bei Thomann ausprobieren konnte. Dank Rückgaberecht bleibt das Risiko ja überschaubar und so habe ich das gute Stück einfach "blind" bestellt.
Der Bass kommt im qualitativ hochwertigen Gig-Bag. (aber halt "nur" ein Gig-Bag) Ab Werk ist die Saitenlage unspielbar niedrig eingestellt gewesen. Die Halskrümmung war OK. Nachdem ich die Saitenhöhe bei allen Saiten um ca. 2mm angehoben habe, hat nichts mehr gescheppert und die intensive Testphase konnte beginnen.
Sofort auffällig ist die Wucht der Schwingung der tiefen Saiten. Auch unverstärkt merkt man schon, hier ist was anders als bei den anderen Bässen. Ob das nun an der 35 Zoll Mensur des Basses liegt, oder die Hölzer tatsächlich "schöner" schwingen??? Es ist auf jeden Fall ein deutlicher Unterschied zu meinen 34 Zoll Mensur Bässen und ... ja - es ist besser!
Ebenfalls schon unverstärkt auffällig: Die sich wiederholenden Töne nach dem 5. Bund haben bei den tiefen Saiten kaum den üblichen Charakterverlust. z.B das tiefe G im 8. Bund der B-Saite verliert nur sehr wenig an Oberton und Charakter im Vergleich zum gleichen Ton im 3. Bund der E-Saite.
Von den Tonabnehmern und der aktiven Klangregelung hat man alle nur erdenklichen Möglichkeiten, seinen individuellen Traumsound einzustellen. Wobei der Charakter natürlich immer vom Grundsound der Humbucker-Tonabnehmer dominiert wird. Das ist auch gut so. Für meinen Geschmack braucht dieses Instrument kaum eine aktive Klangregelung.
Über den Balance Regler kann man nahezu alle Sound-Möglichkeiten von jazzig knurrig (Stegtonabnehmer) bis zum klassischen P-Bass Sound (Halstonabnehmer) ausschöpfen.
Die Regler arbeiten angenehm fest. Gerade beim Balance Regler haben bereits wenige mm Drehweg einen deutlichen Einfluss auf den Sound. Natürlch kann man das Ganze noch mehr Soundcharakter geben, indem man mit dem 3-Band Mitten-Schalter spielt.
Sound: 100 von 100 Punkte: Besser geht es meiner Meinung nach nicht. Das schließt die Flexiblität im Sound mit ein. Von knochigen Jazz bis pappigen blubber Heavy Sound: Alles drin.
Bespielbarkeit:
Der Saitenabstand ist mit 19mm für einen 5 saitigen Bass relativ groß. Das entspricht aber exakt meinem bisher gewohnten Saitenabstand. Außerdem kommt eine weitere Besonderheit des BTB hinzu: die 35 Zoll Mensur! Ich war der Meinung, dass diese 2,5 cm an mehr Saitenlänge auf die ganze Mensur quasi "untergehen" . Das ist aber nicht so. Da braucht es schon ein paar Stunden Eingewöhnung. Grad im Bereich 1-5. Bund merkt man den einen Zoll Unterschied sehr wohl, wenn man z.B. über 3 Bünde greift.
Die Halsform selbst ist angenehm schlank und die spürbare Maserung der Hölzer fühlt sich griffig an.
Nach 1-2 Tagen auf dem Bass hatte ich mich gut eingewöhnt.
Somit bleibt als Fazit: Man muss damit zurecht kommen:
Es gibt evtl. Bassisten, die mit geringeren Saitenabständen und einem schmäleren Griffbrett glücklicher werden. Wer sich schon bei einer 34 Zoll Mensur schwer tut, auf der E-Saite vom F auf das As zu greifen, sollte tatsächlich überlegen, ob ein "extra long scale" Bass tatsächlich das Richtige ist.
Für mich persönlich: Bestspielbarkeit 99 von 100 Punkte!
Mein letzter Punkt: Design und Ergonomie
Wenn mir der Bass nicht von vornherein optisch sehr gut gefallen hätte, hätte ich ihn nicht bestellt. Das Design und auch die Gestaltung mit den verwendeten Hölzern spricht mich sehr an. Der Korpus ist relativ "grob" verarbeitet. Ich behaupte mal, dass die Korpusbearbeitung bzw. die Formgebung des Korpus nur maschienell erfolgt. Die Übergänge sind teilweise ziemlich kantig. Das kann man zwar auf den Bildern schon erkennen, aber ich hätte die Form insgesamt etwas harmonischer in den Verläufen erwartet.
Eine tatsächliche Problemstelle sehe ich im Bereich, wo normalerweise der Unterarm der rechten Hand am Korups aufliegt. Die Kante ist eine gebrochene Kante, wie bei einem Möbelstück.
Das ist kein Fehler in der Verarbeitung, sondern ein reines Designthema. So wie halt z.B. die Übergänge und Rundungen der Hörner nicht abgerundet sind, sondern relativ hart gebrochen. Der Verlauf und auch die Haptik des Lacks, alles glatt und sauber, aber halt "kantig".
Da hätte mir jetzt speziell im Bereich der Unterarmauflage eine deutliche Abrundung der Kante wesentlich besser gefallen. Ich kann nicht einschätzen, wie sich das nach einem 3 stündigen Gig bemerkbar macht. Da habe ich sogar schon ernsthaft darüber nachgedacht, hier selbst nochmal Hand an zu legen und diese Stelle einfach rund zu schleifen und den Korpus von einem Gitarrenbauer neu lackieren zu lassen. Sollte ich da längerfristig Probleme oder gar Schmerzen bekommen, wäre das für mich tatsächlich eine Option.
Die Verarbeitung an sich ist sehr OK, aber das Design hat hier eine Schwachstelle.
Wer den Bass z.B. sehr tief hängen hat oder überwiegend mit Plektrum spielt, hat vermutlich keine Probleme. Eine Abrundung dieser Kante würde m.M. nach in keiner Weise das Design kaputt machen oder stören. Es wäre im Gegenteil sogar sehr harmonisch.
Fazit für das Design und die Eronomie: Leider nur 82 von 100 Punkte (82 ist willkürlich, aber ich glaube 82% ist gerade noch "gut")
Zusammenfassung:
+ ein toller Bass in einer geilen Optik
+ überragender Sound mit erstklassigen Einstellmöglichkeiten
+ vielseitig für alle Musikrichtungen
+ erstklassige Verarbeitung von Hals, Griffbrett
+ "nettes" Zubehör (Einstellwerkzeug, Gig-Bag)
- Korpus Design mit ergonomischen Schwächen
- serienmäßig ohne Koffer (keine Option Koffer statt Gig-Bag)
